Dienstag, 17. September 2013

Schlechte Menschen

„Na, ihr drei“, sage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle, ihren Käfig öffne und mich in den Sessel fallen lasse. Einen Moment lang passiert dann nichts Bemerkenswertes. Ratz verschwindet in der Küche, Rabatz wuselt um meine Füße, Fatz steckt lediglich seinen Kopf aus dem Käfig. Dann springt Rabatz auf meinen Schoß, zupft an meiner Jacke und fragt: „Was ist denn mit dir heute los? Wieso sagst denn du nichts?“ „Ich habe doch >>Na, ihr drei<< gesagt. Reicht das nicht?“, antworte ich gereizt. „Mir reicht’s“, grummelt Fatz. Ratz hat in der Küche irgendetwas Essbares gefunden und mit vollem Mäulchen bzw. Schnäuzchen spricht er nicht. Rabatz schaut mich aus seinen schwarzen Knopfaugen besorgt an und drückt damit so ein Sonst-sagst-du-mehr-Unbehagen aus. Er krabbelt an meiner Jacke hoch und zupft an meinem Ohr, knabbert an meinen Haaren, kratzt mich am Hals und lässt sich sonst noch Allerlei einfallen, bis sich meine Laune etwas bessert. „Den ganzen Tag muss ich mir Geächze, Gejammere, Gejaule, Gestöhne von Menschen um mich herum anhören, die der Meinung sind, dass es ihnen schlecht geht, weil alle anderen Menschen schlecht sind, und zwar zu ihnen. Kein Hans, kein Franz, kein Wie-auch-immer-sie-alle-Heißen nimmt Rücksicht darauf, dass mein Fassungsvermögen begrenzt ist. Im Moment jedenfalls bin ich randvoll. Noch eine Klage und ich laufe über“, sage ich. Kurzes betretenes Schweigen aller Anwesenden, dann Fatz: „Also den ganzen Tag nörgeln dich die Menschen nicht voll, jedenfalls nicht alle, nicht wirklich.“ „Stimmt“, gebe ich ihm nach erneutem Schweigen recht, „wirklich nicht, aber gefühlt.“ „Ja, teurer Freund, du hast sehr recht: Die Welt ist ganz erbärmlich schlecht, jeder Mensch ein Bösewicht. Nur du und ich natürlich nicht“, ertönt Ratz‘ Stimme aus der Küche, wo er in der Altpapiertüte – offenbar zwischen Feuilleton-Seiten – hockt und an irgendwelchen Gemüseresten, woher auch immer er die hat, knuspert. „Soll ich dieses Zitat auf die Menschen, die mir das Leben schwer machen, oder auf mich selbst beziehen?“, frage ich und bekomme von Ratz lediglich ein Schmatzen zur Antwort. Fatz knurrt: „Sowohl als auch“ und Rabatz wispert mir ins Ohr: „Ja, aber auf dich nur so ein bisschen... Ich würde jetzt gerne auch in die Küche… und mal schauen, was Ratz da zum Essen gefunden hat, aber... kann ich dich hier so alleine sitzen lassen?“ „Ja, ja, du kannst“, sage ich lachend. „Lauf nur! Mir geht es schon wieder gut.“

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