Dienstag, 12. November 2013

Auto fahren mit offenen Schnürsenkeln?

„Na, ihr zwei“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „wollt ihr wissen, welch unsäglich unzulänglichen - um nicht zu sagen behinderten - Eindruck ich heute mal wieder bei meinen Zeitgenossen, zumindest einem von ihnen, hinterlassen habe?“ „Ja“, antworten Ratz und Rabatz wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen, springen mir auf die Schulter, von dort in meinen Schoß und schauen mich neugierig an. „Warst du nicht auf diesem… Na, wie heißt das gleich?... Auf diesem Info-Dingens von diesen Werkhallen auf dem 3. oder 4. – die Nummer ist mir entfallen – Arbeitsmarkt?“, erkundigt sich Ratz. „Ja, ja“, sage ich schmunzelnd, „Infotag der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Berlin e.V. Aber woher weißt du das nun schon wieder? Hatten wir darüber gesprochen?“ „Der zerknüllte Veranstaltungsflyer lag zum Nestbau im Käfig“, erklärt Rabatz anstelle von Ratz. „Schlief sich übrigens sehr bequem darauf.“ „Aha“, grummele ich vor mich hin, „nichts geht über Leseratten.“ „Dennoch ist unklar“, philosophiert Ratz, „warum du dort behindert wirktest.“ „Tja, warum?“, spreche ich meine Gedanken laut aus. „Vielleicht färbt der Habitus meiner Klienten auf mich ab. Jedenfalls hatte ich mir am Stand der Lankwitzer Werkstätten gerade den Flyer einer Fahrschule speziell für Menschen mit Behinderung gegriffen und las mir mit dem Flyer in der Hand ein Riesenplakat an der Wand durch, auf dem erläutert wurde, warum die Lankwitzer Werkstätten demnächst L-Werk heißen werden, als mich der Fahrschul-Mensch ansprach und fragte, ob ich zu ihm in die Fahrschule wolle.“ „Ich vermute eher“, empört sich Ratz, „dass nicht der Habitus deiner Klienten auf dich übergesprungen ist, sondern die Werkstattbesucher die Intelligenz dieses Fahrschul-Typen zermürben!“ „Das ist eine ziemlich arrogant formulierte Meinung“, kritisiere ich Ratz. „Aber eine ehrliche und berechtigte“, nimmt Rabatz seinen Kumpel in Schutz. „Nun ja“, entgegne ich, „vielleicht lag es ja aber doch zumindest ein wenig auch an mir. In der Vorhalle war mir nämlich ein Schnürsenkel aufgegangen und aus Unlust, ihn wieder zuzubinden, hatte ich seine beiden Enden links und rechts am Fuß vorbei seitlich in den Schuh geschoben. Vielleicht hat der Fahrlehrer gedacht, ich kann keine Schleifen binden und will trotz Ungeschicklichkeit Auto fahren.“ „Stimmt beides nicht!“, quietscht Rabatz übermütig und muss sich vor Lachen den Bauch halten. Ratz indes schimpft: „Ungeschickt ist der! Geschickt formuliert hätte er gefragt, ob sie sich für seine Fahrschule interessiert, nicht aber, ob sie zu ihm dorthin will.“ „Das stimmt allerdings“, gebe ich ihm Recht. Ratz fühlt sich geschmeichelt und kommt kurz kuscheln, findet dann aber schnell zu seiner provozierenden Art zurück: „Was hast du diesem L-Werk-Fahrlehrer eigentlich auf seine Frage nach deinem Interesse an seinem Unterricht geantwortet?“ „Nein, danke“, erwidere ich. „Was sonst?“ „Das war den Umständen entsprechend entschieden zu höflich“, beendet Ratz das Gespräch, nimmt Rabatz am Vorderpfötchen und beide hüpfen in Richtung Küche davon.

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