Sonntag, 3. November 2013

(Ent)gleitende Sicht

„Sage mal“, fordert Rabatz mich auf, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle, den Käfig öffne, meinen Computer hochfahre, zwei von drei Brillen – Nr. 3 habe ich auf der Nase – auspacke und auf den Tisch lege, „hattest du nicht kürzlich erst gesagt, dir eine Gleitsichtbrille verschreiben lassen zu wollen, damit du nicht länger mit zwei Brillen hantieren musst, weil dich das ständige Auf und Ab, also das Wechseln der Brille vor und nach jeder Beschäftigung mit irgendwelchen Fitzelchen im Nahbereich, so fürchterlich nervt? Stattdessen hast du nunmehr drei Brillen, zwischen denen du fortwährend wechselst?“ „Nicht stattdessen, sondern weil“, antworte ich mürrisch. „Hä?“, fragen mich die beiden Rattenmänner wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen. „Eine dieser drei Brillen ist die neue mit Gleitsicht, mit der allerdings, was ich sehen will, weitestgehend aus meiner Sicht gleitet“, erkläre ich. Ratz und Rabatz unterbrechen mich – verständlicherweise – mit einem erneuten „Hä“. „Also“, setze ich meine Ausführung fort, „in den Worten der Optikerin klingt das ungefähr so: Mit der Gleitsichtbrille muss ich völlig neu sehen lernen, was bis zu ½ Jahr dauern kann. Ich soll mit wenigen Minuten täglich anfangen und die Dosis kontinuierlich steigern.“ Rabatz springt übermütig in Richtung Küche davon und landet – dem Geräusch nach zu urteilen – im Abwaschberg. „Siehst du mich?“, ruft er. „Nein!“, schreie ich zurück, „Erstens ist eine Wand zwischen uns und zweitens habe ich gerade die falsche Brille auf. Aber ich kann dich gut hören.“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen