Mittwoch, 6. November 2013

Zwei Erfindungen rund ums Buch

„Na, ihr zwei“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „wollt ihr wissen, was ich heute erfunden habe?“ „Du hast mal wieder etwas erfunden?“, täuschen Ratz und Rabatz wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen erstauntes Interesse vor. „Ja“, antworte ich, „zwar nicht insofern erfunden, als dass ich es schon konstruiert, gebastelt, programmiert oder was auch immer und zum Patent angemeldet hätte, vielmehr handelt es sich um Überlegungen, aber die eine halte ich zumindest für originell und die andere sogar für sinnvoll.“ „Aha“, grummelt Ratz mit leicht ironischem Unterton und begibt sich in die Küche, wo es kurz darauf im Brotkasten poltert. „Erzähle mal, was du erfunden hast! Zuerst das Sinnvolle“, fordert Rabatz mich auf. „Eine Leselampe für unterwegs, mit der man abends auch an etwas entlegeneren und somit nicht in städtischer Lichterflut ersäuften, also dunklen Orten, beispielsweise irgendwelchen Haltestellen nicht oft verkehrender Busse, lesen kann“, sage ich. „Manchmal täte sogar im Bus eine Lampe not. Heute musste ich schienenersatzverkehrbedingt mit einem Bus fahren, dessen Fahrgastteil nur während des Ein- und Aussteigens an den Haltestellen beleuchtet wurde, während der Fahrt brannte lediglich in der Fahrerkabine Licht.“ „Du brauchst eine Taschenlampe“, schlussfolgert Rabatz. „Fast“, erwidere ich, „konkret ein Lämpchen, das man am Buchdeckel festklemmen und auf genau die Stelle im Text richten kann, die man gerade liest.“ „Batterie- bzw. akkubetriebene mobile Buchleuchten mit beweglichem Lampenkopf und Befestigungsklipp“, tönt Ratz‘ Stimme aus der Küche, „gibt es schon.“ Daraufhin bin ich sprachlos, Rabatz ebenso, nur sein langanhaltendes Hochgeschwindigkeits-Kratzen mit der Hinterpfote am Ohr – Übersprungshandlung – verhindert die vollkommene Stille, bis Ratz‘ Kopf im Türrahmen über der Schwelle auftaucht und er verkündet: „Steht in der Thalia-Werbung, hast du uns vorgestern geschreddert in den Käfig geschmissen, kannst du nachgucken.“ „Ach, nee, lass nur“, finde ich meine Worte wieder, „keine Lust, Buchladen-Werbung zu puzzlen. Ich glaube dir.“ „Und was ist mit Erfindung Nummer 2?“, fragt Ratz sogleich. Mir wird ganz mulmig und ich stottere: „Hoffentlich gibt es das nicht auch schon, ohne dass ich davon weiß: Bücher mit so vielen Lesebändchen wie Seiten.“ Zwei Rattenböcke erstarren in Reglosigkeit und schauen mich absolut entgeistert an. „Gibt es wahrscheinlich noch nicht. Jedenfalls habe ich noch nichts davon gehört oder gelesen“, beendet Ratz das erneute Schweigen irgendwann. „Ich auch nicht“, schließt Rabatz sich ihm an und fügt hinzu: „Braucht wahrscheinlich auch keiner.“ „Doch, doch, ich schon“, entgegne ich, „ich benutze Lesebändchen nicht, um die Seite zu markieren, an der ich die Lektüre unterbreche. In meinen Büchern liegen die Lesebändchen zwischen den Seiten, die ich leicht wiederfinden will, weil sie mir entweder besonders gut gefallen oder ich dort beim ersten Lesen etwas nicht verstanden habe oder ich später Passagen mit anderen Texten vergleichen oder herausschreiben will…“ „Und das ist auf allen Buchseiten der Fall?“, spottet Ratz, „Warum willst du Bücher mit so vielen Lesebändchen wie Seiten?“ „Natürlich sind nicht in jedem Buch alle Seiten eine besondere Hervorhebung oder Markierung wert“, lenke ich ein, „aber theoretisch besteht doch die Möglichkeit.“ – „Selbst dann bräuchtest du nur halb so viele Lesebändchen wie Seiten, zwischen zwei Seiten liegt jeweils nur eines.“ – „Und wenn ich beide Seiten markieren will?“ – „Dann legst du ein Bändchen dazwischen und steckst einen Zettel dazu mit einer 2 darauf.“ – „Der Zettel kann herausfallen.“ Rabatz mischt sich stirnrunzelnd ins Gespräch: „Hefte doch einfach, bevor du das Buch ins Regal stellst, einen Klebezettel auf dessen Buchrücken: Noch einmal lesen!“ Betretenes Schweigen meinerseits. Ratz zieht Rabatz beiseite und raunt ihm zwar leise, aber doch so, dass ich es hören kann, ins Ohr: „Das hättest du jetzt nicht sagen dürfen. Als nächstes erfindet sie Klebezettel.“ Beide lachen und stecken mich noch schnell damit an, bevor sie in die Küche und dort auf Nahrungssuche gehen.

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