"Was machst denn du da?",
fragt mich Moritz, als er mich vorm Laptop sitzen und ein fast fertig
ausgefülltes Formular anstarren sieht. Ich grummele irgendetwas vor
mich hin. "Habe ich nicht verstanden", lautet die
Ich-Botschaft, die er mir daraufhin sendet. "Macht nichts",
sage ich. "Doch", widerspricht er. Ich seufze. Dann
herrscht Schweigen. Jedoch mögen wir es nicht, beherrscht zu werden,
also beendet Moritz kurz darauf diese Herrschaft des Schweigens,
indem auch er seufzt, dann seufze wieder ich und so geht das noch
eine Weile hin und her. Irgendwann haben wir keine Lust mehr zu
seufzen und es hilft ja auch niemandem weiter, also erkläre ich:
"Ich muss für das Gesundheitsamt Tempelhof-Schöneberg, von dem
ich seit knapp einem Jahr einen Auftrag habe, einen Profilbogen
ausfüllen." Und erneut seufze ich. Die anderen vier Ratten, die
sich für unser Gespräch zu interessieren beginnen, springen
nacheinander auf den Tisch. Dachs schaut abwechselnd zu mir und zu
Ratz, der gewöhnlich, wenn ich es nicht tue, oder aber er anderer
Meinung ist als ich, allen alles erklärt, aber diesmal nichts
erklärt, jedenfalls nicht direkt, sondern stattdessen drei für die
Klärung nicht unbedeutende Fragen stellt: "Profilbogen?
Bewerbung? Jetzt?" Ich nicke und seufze noch einmal. Er hakt
nach: "Du bekommst zuerst den Auftrag und bewirbst dich dann?"
Ich schüttele den Kopf. "Muss das jetzt irgendjemand
verstehen?", erkundigt sich nun Max. "Muss nicht",
führe ich aus. "Och, nun krieg doch einfach mal deine Zähne
auseinander!", fordert Rabatz mich zu mehr Gesprächigkeit auf,
ich indes gähne zunächst - das ist auch Mundöffnen mit Zähnezeigen
- und füge erst etwas später gereizt hinzu: "Jetzt gebt doch
einfach mal Ruhe, lasst mich überlegen, mit welchen Klienten ich mir
das Arbeiten grundsätzlich zutraue, und hier eintragen, welche
Krankheiten bzw. Behinderungen ich als Betreuungsaufgabe ausschließe!" "Nö, das
hat Zeit", nörgeln Dachs und Ratz, "vorher wollen wir von
dir noch wissen, wie ihr Menschen euch Arbeit macht." "Ihr
wollt was?!", kreische ich. "Ich soll euch mal eben
schnell, so fast nebenbei den Ersten Arbeitsmarkt erklären?!"
Ich stampfe in die Küche, ziehe einige JW-Seiten mit dem grausamen
Titel Kapital & Arbeit aus dem Altpapier, stecke sie ihnen
in den Käfig, kehre vor mich hin fluchend "Wie wir Menschen uns
Arbeit machen" zurück an den Schreibtisch, sehe auf ihm fünf
äußerst erschrockene Ratten hocken und erschrecke sogleich selbst:
"Oh, was habe ich getan?! Meine schlechte Laune an euch
ausgelassen." Als ein Zeichen der Versöhnung lege ich meine
ausgestreckte Hand vor ihnen ab und, oh Wunder, sie nehmen die
Entschuldigung an, krabbeln den Arm als Brücke nutzend auf meine
Schultern und von dort mir unter den Pullover, wo sie es sich
gemütlich machen. (Ratten sind wahrhaftig die besseren Menschen,
also ich meine, nicht nachtragend.) Irgendwann taucht Moritz'
Mäulchen bzw. Schnäuzchen neben einem meiner Ohren auf und er
wispert: "Verrätst du uns nun, warum du dich um einen Auftrag
bewerben musst, den du längst hast?" "Nun ja",
antworte ich und augenblicklich ragen auch die anderen vier Köpfchen
unter meinem Ausschnitt hervor, "ich muss mich nicht
nachträglich bewerben, das habe ich vorher getan, sondern einen
verloren gegangenen Profilbogen durch einen neuen ersetzen."
"Die haben deine Zettel verbummelt?!", empören sich Max
und Moritz synchron. "Sieht ganz so aus", bestätige ich.
"Erst ist das Amt vom früheren Standort - asbestverseucht - in
ein Ausweichgebäude umgezogen und dann gab es im Zuge von
Umstrukturierungen auch noch Zuständigkeitswechsel, also das
Prinzip, nach dem Klienten und deren Helfer den Mitarbeitern des
Amtes zugeordnet sind, wurde geändert, da passiert so manche
Unwägbarkeit..." "Und deshalb hast du nun schlechte
Laune", mault Moritz. "Na, inzwischen nicht mehr, oder?",
entgegne ich halb spöttisch, halb fragend, während ich einen nassen
Fleck auf meinem Pullover betrachte, wo unmittelbar zuvor noch eine
Ratte gesessen hat. "Haben wir eigentlich heute schon
gefrühstückt?" Auf diese Frage erhalte ich ausschließlich
nonverbale Reaktion: Fünf Ratten fliegen mehr, als dass sie liefen,
in die Küche. Nur Ratz ist nicht mehr gar so schnell.