Samstag, 12. Juli 2014

Pro und contra Bürgerarbeit

"Na, ihr fünf", frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, "wollt ihr wissen, worüber ich mich heute aufrege?" "Na klar", antworten sie wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen. "Es gibt ab nächstes Jahr die Bürgerarbeit nicht mehr", sage ich. "Du hast doch heute noch gar keine Abendnachrichten gesehen", erwidert Dachs spitz. "Woher weißt denn du das jetzt schon?" "Steht in fast allen Zeitungen", entgegne ich. "Wenn man, wie ich es heute getan habe, zur Stoßzeit U- oder S-Bahn fährt, ist das so eine Art Presseschau, man liest hier ein Zipfelchen Berliner Morgenpost, da einen Ausschnitt Süddeutsche, erhascht erst ein Stückchen Junge Welt, dann etwas Frankfurter Allgemeine... je nachdem, worin die Menschen um einen herum so blättern." "Aber...", und Moritz macht ein sehr nachdenkliches Gesicht zu seinem Einwand, "hast du nicht bisher stets kritisiert, Bürgerarbeit sei erstens pure Ausbeutung und integriere zweitens keinen Langzeitarbeitslosen in den 1. Arbeitsmarkt, sondern vernichte stattdessen reguläre Arbeitspätze?" "Doch", bekräftige ich. "Und warum beklagst du dann ihre Abschaffung?", bohrt er nach. "Wegen der Begründung dafür und der Folgen davon", erkläre ich. "Lass mich raten!", piepst Max aufgeregt. "Sie wird als zu teuer befunden." "Akkurat", gebe ich ihm recht und führe weiter aus: "Außerdem sind etliche der sozialen und kulturellen Projekte, die derzeit noch von Bürgerarbeitern über Wasser gehalten werden, dann von Schließung bedroht." "Wenn sie doch aber zu teuer ist...", gibt Rabatz vorsichtig zu bedenken. "Pah! Zu teuer!", nimmt Ratz mir energisch die Worte aus dem Mund. "Die Abgeordneten, die sich die Höhe ihres Arbeitsentgeltes selbst festlegen, statt sie wie jeder andere Arbeitnehmer vor Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Arbeitgeber - in ihrem Falle dem Volk - auszuhandeln, erhöhen sich ihre Diäten auf 9000,- € monatlich und 900,- €, also gerade mal 1/10 davon, sollen zu teuer sein?! Die Bürgerarbeiter, die diese 900,- € dann nicht mehr bekommen, werden Arbeitslosengeld II beziehen, was überhaupt nur für diejenigen ohne Kinder im eigenen Haushalt weniger ist. Die Väter und Mütter unter denen, die z. Zt. noch für monatlich 900,- € Bürgerarbeit verrichten, müssen jetzt schon beim Jobcenter betteln, trotz Arbeit. Sie lassen ihr Einkommen auf das aufstocken, was von Experten, die davon nicht leben müssen, als Existenzminimum errechnet wurde..." Damit er sich nicht derart in seine Wut hineinsteigert, dass er Bauchweh von ihr bekommt, unterbreche ich ihn anerkennend: "Recht hast du, Ratz. Besser könnte ich es nicht ausdrücken. Aber woher weißt du so genau, was ich sagen wollte?" "Ich kenne dich seit nunmehr 2 1/2 Jahren; so lange lebe ich nämlich schon", nuschelt er verlegen. Ich nehme ihn auf den Arm, küsse ihn auf die Nase und flüstere ihm ins Ohr: "Da du mich erstaunlich gut kennst, weißt du also auch, wie sehr ich Diäten ablehne. Lass uns nachschauen, was wir so an Kalorien im Hause haben." Er dreht sich zu seinen Artgenossen um und ruft: "Es gibt was Leckeres!" Vier Ratten galoppieren mehr, als dass sie liefen, in Richtung Küche, jedenfalls verursachen sie lautes Getrappel. Ratz wird behutsam von mir getragen und auf den Kartoffeln abgesetzt.

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