Sonntag, 23. Februar 2014

Gabelstapler

„Was machst denn du da?“, piepst unter mir ein zaghaftes Rattenstimmchen. Es gehört zu Moritz, demselben Rättchen, das sich mit einem seiner Vorderpfötchen-Krällchen soeben in einer meiner Socken verhakt. „Komm gucken! Los, zieh dich an meinem Hosenbein hoch“, fordere ich ihn auf. „Geht nicht“, klagt er verzagt. „Doch, du schaffst das“, behaupte ich und siehe da, eine Minute später sitzt Moritz auf dem Schreibtisch zwischen mir und dem Laptop. „Und“, schnauft er erschöpft, „was machst du?“ „Ich lese meine E-Mails“, antworte ich. Er schaut mich verblüfft an und fragt entsprechend verwundert: „Über Gabelstapler?“ Daraufhin bin ich mit dem Erstaunt-Sein an der Reihe. „Wo liest denn du hier etwas von Gabelstaplern?“, erkundige ich mich. „Na da“, sagt er und zeigt auf einen Werbebutton neben den Mails, wo ich fast nie hinschaue. „Oh“, erkläre ich lachend, „das ist Werbung, davor strotzt das Internet nur so.“ „Was sind Gabelstapler?“, fallen mir Dachs und Max, die sich inzwischen zu uns gesellt haben, wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen ins Wort. Ich klicke den Button mit der Gabelstapler-Werbung an und lese:
Gabelstapler gebraucht
Der Gebrauchtkauf von Flurfahrzeugen bringt meist eine große Kosteneinsparung mit sich. Beim Kauf gibt es jedoch einige wichtige Faktoren zu berücksichtigen. Wir sagen Ihnen, worauf Sie beim Gebrauchtkauf von Gabelstaplern achten sollten.
Ratz und Rabatz, neugierig geworden, springen nun auch auf den Schreibtisch und Ratz zeigt sich sehr interessiert. „Gabelstapler, Flurfahrzeuge“, wiederholt er, was ich gelesen habe, und Max fügt hinzu: „Könnten wir gut gebrauchen... Im Flur bisschen mit Fahrzeugen fahren. Macht bestimmt Spaß.“ „Ich werd' euch was! Den Flur mit Fahrzeugen verstopfen!“, schimpfe ich scherzhaft. Aber sogleich fällt mir ein, dass wir längst einen Gabelstapler besitzen, wenngleich keinen, der groß genug wäre, fünf Ratten einsteigen zu lassen. Ich zeige das Spielzeug den Tieren und frage: „Wollt ihr damit ein wenig spielen?“ Ratz und Rabatz ziehen in Richtung Küche von dannen, anstatt zu antworten. (Oder ist das ihre Antwort?) Dachs, Max und Moritz indes beschnuppern es ausgiebig von allen Seiten. Nach einer Weile erkundigt sich Moritz: „Wieso heißt das Auto Gabelstapler? Stapelt es Gabeln?“ „Das ist eine gute Frage“, lobe ich ihn. „Ich bin ihr am Wortort schon einmal nachgegangen. Es stapelt ggf. Gabeln, aber bei Bedarf auch andere Sachen. Die Vorrichtung zum Aufladen von zu Stapelndem sieht entfernt so aus wie Zinken einer Gabel. Deshalb heißt das Auto so.“ Mit einem knappen „Aha“ gibt Moritz mir zu verstehen, dass ihn meine Antwort kaum beeindruckt. Zusammen mit seinen beiden Brüdern benagt er zunehmend lustlos die Gummireifen, bis Dachs einen Vorschlag unterbreitet, der alle mit neuem Elan erfüllt: „Du könntest ja unser Futter ab jetzt immer in der Küche stapeln und dann mit diesem Flurfahrzeug, das der Gabelstapler laut Werbetext ist, von dort aus durch den Flur zu uns ins Zimmer an den Käfig fahren.“ ... Verbal keine weiteren Kommentare, wortlose Begeisterung.

Sonntag, 16. Februar 2014

Glück

Ein erleichtertes „So“ entschlüpft mir, als ich mich in den Sessel fallen lasse. „Die Wäsche ist gewaschen, das Geschirr auch, der Müll ist hinausgetragen, die To-do-Liste mit aller Schreibtischarbeit abgearbeitet, die Sachen, die morgen mitgenommen werden müssen, sind eingepackt, sogar ans Trinken und die Käsestullen für die Mittagszeit habe ich gedacht, das Handy ist aufgeladen... Sieht jetzt ganz nach einem entspannten Sonntagabend aus.“ „Freu dich bloß nicht zu früh!“, höhnt Ratz. „Bestimmt klingelt gleich das Telefon und wer weiß, was dir dann von wem erzählt wird.“ „Verdirb mir nicht die Laune!“, knurre ich. „Tue ich doch gar nicht“, rechtfertigt er sich und will sichtlich noch etwas hinzufügen, aber Rabatz fällt ihm grinsend ins Wort: „Nee, nee, du bist nur realistisch.“ Ratz mag es gar nicht, wenn spitze Bemerkungen anderer sich auf ihn beziehen, und während er und Rabatz sich gegenseitig noch etwas anfauchen, fragt mich Moritz: „Zufrieden und glücklich?“ „Na, na, na“, schränke ich ein, „von Glück sprechen wir gerade überhaupt nicht. Glück ist mitnichten nur Zufriedenheit. Glück ist, wenn ich zwischen Sonnenstrahlen, die sich in Spinnweben verheddern, durch den Wald radele, während ein Specht hämmert, ein Kuckuck ruft, Tautropfen von Gräsern perlen, vielleicht ein Hase oder ein Reh über meinen Weg springt... und keiner in die Quere kommt, der den Augenblick zerstört.“ Es folgt andächtiges Schweigen. „Papa, gehen wir auch mal Glück angucken?“, wendet sich im Anschluss daran Moritz an Rabatz. „So ängstlich, wie du bist... Also ich weiß nicht“, anwortet der. „Aber wir, wir sind doch nicht ängstlich“, rufen Dachs und Max wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen. „Wir nehmen Moritz in die Mitte.“ „Fragt unser Frauchen“, erwidert Rabatz und zeigt auf mich. „Hm, schwierig“, sage ich. „Wie soll das funktionieren? Wollt ihr hinter mir im Gepäckkorb sitzen oder vor mir in der Lenkertasche?“ Papa Rabatz schüttelt verneinend den Kopf. „Ich bin auch dagegen“, grummelt Ratz. „Über Glück für euch müssen wir noch einmal gesondert nachdenken“, verschiebe ich die Angelegenheit auf später. „Eine Tour durch den Wald zu sechst auf einem Fahrrad - 1 Mensch und 5 Ratten - halte ich für keine sehr gute Idee. Vielleicht sieht Glück für Ratten auch ganz anders aus als für Menschen...“ „Ja, gut möglich“, piepst ein Stimmchen von irgendwoher aus dem Käfig. Dann lugt ein Dachs-Schnäuzchen neben einem Max-Näschen unter dem Papp-Häuschen hervor und meldet: „Du, unser Futter ist alle.“ „Aha“, gebe ich mich scheinbar desinteressiert, schaffe es dann aber doch nicht, diese Meldung zu ignorieren.

Sonntag, 9. Februar 2014

Kommunikation – Signale senden, empfangen und verstehen

Die drei „Kleinen“ – Dachs ist inzwischen fast genauso groß wie sein Vater – beginnen zu sprechen, allerdings drücken sie sich zuweilen noch etwas mehrdeutig aus, z.B.:

Dachs mit aufgerissenem Mäulchen bzw. Schnäuzchen

Was will er mir mitteilen?

 „Vorsicht! Bissige Ratte!“

oder

„Käse her!“

oder

(im übertragenen Sinn) „Alles Käse hier!“

oder

„Eigentlich bin ich sehr friedlich, aber wenn ich nicht sofort etwas zu Beißen kriege, suche ich selbst danach, und zwar nicht lange, sondern beiße das Erstbeste, was mir vor die Zähne kommt!“

oder

„Ich bin soo müüde! *gähn*“

Ich habe Käse gereicht, den anderen auch, und ihn nach dem Essen schlafen lassen.

Donnerstag, 6. Februar 2014

Fünf sind einer zu viel?

„Na, ihr fünf“, frage ich, als ich nach Hause komme, meinen Rucksack neben das Fahrrad stelle und ihren Käfig öffne, „seid ihr auch so erledigt wie ich?“ „Allerdings“, antwortet als einziger Ratz, und zwar sichtlich genervt. „Die drei Kinder sorgen für eine gehörige Portion Unruhe und Rabatz unternimmt nichts dagegen.“ „Aus welchem Grunde sollte ich?“, entgegnet Rabatz, der quer durch den Käfig entspannt ausgestreckt daliegt, so dass Max, Moritz und Dachs ihn zum Bockspringen nutzen. „Aus Rücksichtnahme“, grummelt Ratz und fügt seufzend hinzu: „Niemand mag mich.“ „Das stimmt doch überhaupt nicht“, widerspreche ich. „Doch“, behauptet er. „Nein“, beteuere ich. „Doch“, beharrt er auf seiner pessimistischen Ansicht. „Nein“, wiederhole ich mich. „Immer musst du das letzte Wort haben!“, wird er unsachlich. „Das stimmt doch überhaupt nicht“, verteidige ich mich. „Doch!“, schreit er und stampft mit den Hinterfüßen. „Nein“, sage ich noch einmal und das ist offenbar einmal zu viel. „Du bist doof!“, schleudert er mir entgegen… Längeres Schweigen. „Wenn ich du wäre, würde ich mich jetzt wahrscheinlich beleidigt in irgendeine Ecke verziehen und schmollen“, finde ich nach einiger Zeit meine Sprache wieder und Ratz kurz darauf seinen Sarkasmus: „Hm, aber zum Glück bist du ja nicht ich.“ „Stimmt“, gebe ich ihm lachend recht. „Lass uns in die Küche gehen und Essen machen. Willst du unser aller Vorkoster sein?“ „Ja“, piepst er freudig. Bei dem Wort 'Essen' stellen Max, Moritz und Dachs ihre Bocksprünge ein und kleben augenblicklich am Käfiggitter. Dachs nuschelt etwas, das so ähnlich klingt wie „Käse?“, woraufhin Rabatz ihn mahnt: „Geduld!“

Dienstag, 4. Februar 2014

Große Unsicherheit kleiner Ratten

Moritz und Dachs

- Uups! Die Käfigtür steht offen. Wollen wir raus?
- Raus?
- Na ja... Die Tür steht offen...
- Hm. Allein? Nicht Papa fragen?
- Papa? Wer zu ihm will, muss erst raus. Im Regal hockt er.
- Ich glaube, ich warte, bis er zurückkommt.
- Ich nicht.

(Dachs' Fellfarbe geht von ursprünglich braun - man betrachte das Porträt vom 19.01. - zunehmend zu grau über.)