Sonntag, 5. November 2017

Zeitung vom Vortag zum halben Preis

„Na, ihr drei“, sage ich, als ich nach Hause komme, stelle meinen Rucksack ab, schalte Licht ein, schaue in den Käfig und halte daraufhin einen Moment lang entsetzt inne. Dann beginne ich zu schimpfen: „Was habt ihr wieder veranstaltet? Wie sieht das bei Euch aus?!“ Kunz stoppt mich. „Wie soll es hier schon aussehen?“, fragt er schnippisch. „Na, ordentlich und sauber“, antworte ich, konstatiere jedoch, dass es das nicht tut. Unter durchnässten und zerfetzten Papierschnipseln lugt Hinz hervor und verlangt: „Reg dich nicht so auf!“ Ich folge seiner Aufforderung nicht und schreie: „Ich soll was?! Mich nicht aufregen?! Heute morgen erst habe ich euren Käfig mit frischem, sauberen Papier ausgelegt. War alles für die Katz'!“ „Nein“, kontert Knut gelassen, „für drei Ratten.“ „Jetzt kommst du mir auch noch frech!“, empöre ich mich. „Nein“, widerspricht er, „ich stelle nur richtig.“ „Lenk nicht vom Thema ab!“, mahne ich. „Ihr habt ein heilloses Papierchaos angerichtet!“ „Ohje“, stöhnen Hinz und Kunz wie aus einem Mäulchen bzw. Schnäuzchen, „jetzt öffne doch einfach den Käfig, wir schmeißen die Schnipsel alle raus und dann legst du uns neues Papier rein. Kann ja so schlimm nicht sein!“ „Doch, ist schlimm!“, beharre ich auf meiner Sicht der Dinge. „Papier ist knapp geworden. Früher wurden hier zweimal wöchentlich alle Briefkästen mit kostenloser Werbung überflutet. Jetzt kommt der Werbeheini noch ungefähr einmal im Monat.“ „Das ist umweltfreundlich“, klugscheißert Knut. Und Hinz und Kunz tönen erneut im Duo: „Wir wollen auch gar keine Werbung! Wir wollen Nachrichten! Papier voller gedruckter Neuigkeiten, die interessant und aufschlussreich sind. Zu englisch: newspaper!“ „Ihr wollt guten, alten Journalismus!“, entfährt es mir entsetzt. „Also bei euch piept es wohl! Den guten, alten gibt es kaum noch und der moderne ist unbezahlbar, zumindest der ausgedruckte.“ „Die ist geizig“, flüstert Hinz Kunz ins Ohr. „Haben wir nicht mehr genug Geld?“, erkundigt sich Knut erschrocken. „Doch“, beruhige ich ihn sofort. „Allerdings ist >>genug<< eine Formulierung mit großem Interpretationsspielraum. Noch können wir die Miete zahlen und am Verhungern sind wir definitiv nicht. Samstags kurz vor Ladenschluss gibt es bei Lidl immer preisreduziertes Obst und Gemüse. Beim Bäcker kostet Brot von gestern nur die Hälfte...“ In dem Moment, da ich diese Worte ausspreche, wird Knut von einer Idee ergriffen. Aufgeregt fiept er: „Frage doch am Kiosk, ob es Zeitung vom Vortag zum halben Preis gibt!“ „Die Idee ist utopisch“, seufze ich amüsiert und behalte für mich, dass mir selbst das noch zu teuer wäre.

1 Kommentar:

  1. Der Trend geht eindeutig zu Pappe. Wir amüsieren uns vorwiegend mit Pappkartons, die gibt es noch umsonst, und es gibt sie, wenn Maja nicht zu faul ist, welche mitzubringen. Zeitungen lassen wir uns von R. geben, die abboniert immer kostenlos für 2 oder 4 Wochen und dann hat sie wechselnde Zeitungen. Wusstet ihr schon, dass das neue Layout der TAZ dem der BILD ähnelt. Menschen sind verrückt! Naja - Rattenjungs auch, wir mögen euch trotzdem und lesen gern von euch! Grüße von Rosa, Paula, Clara und Schwarz

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